Vom Februar 1944 bis März 1945

Auszüge aus Briefen unseres Vaters, Johann Ingwer Johannsen, an seine Familie bzw. an seine Frau. Die Familie wurde im Juli 1943 in Hamburg ausgebombt.

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22. Februar 1944: Berlin

Mein Liebes, habe Dir ja versprochen, heute einen Brief zu … es doch nur 8 Tage weiter wäre, dieses Heimweh ist nicht schön. Hoffentlich erreichen wir morgen unseren Lazarettzug. Schreibe mir bitte bald. Mit Deiner Post ist es so, Du schickst alles nach Berlin (siehe Absender) und von Berlin wird die Post einmal wöchentlich abgeholt …

Ach, das ganze Leben ist so ein Dreck … ! Ich mußte meinem Herzen mal wieder Luft machen.

Karte für "Wintergarten"Also, Berlin ist mir zu laut! Wir haben Mittag und Abendbrot bei Achinger gegessen. Haben die hier ein Mundwerk! Heute Vormittag sind wir durch das Regierungsviertel gegangen und »Unter den Linden« Trümmer … Trümmer … Trümmer. Nur, es liegen nicht so ganze Stadtviertel nieder, wie bei uns in Hamburg.

Heute Nachmittag waren wir im „Wintergarten“ – wir hatten 5 Karten bekommen. Es war sehr nett, aber mir fehlte jemand … Alle 4 – 5 Wochen sollen wir für 4 Tage Kurzurlaub haben. … Unser Laz.-Zug ist in Warschau, und wir müssen warten, bis er in Deutschland ist und wir zusteigen können.

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25. Febraur 1944: Arnstadt/Thüringen

Unser Lazarettzug ist nach langem Warten endlich hier! Ab geht es nach Gotha, von da über Plauen nach Ilmenau, quer durch den Thüringer Wald. Ich bin aus dem Staunen nicht herausgekommen, ein herrliches Land. Alles war tief verschneit …

Als wir unsere Verwundeten ausgeladen hatten, ging es zurück nach Arnstadt. Hier empfangen wir Verpflegung, Wäsche usw. dann geht es weiter nach …

Ich bekam einen Wagen mit 30 Betten zugewiesen, wofür ich alleine aufzukommen habe. Schwestern gibt es in unseren Zügen nicht. Morgen muß ich alle Betten beziehen. Ich habe einen kl.Schreibtisch mit Blumen vor dem Fenster … das Essen ist prima, auch Zigaretten haben wir bekommen.

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26. Februar 1944: Arnstadt

… heute ist Sonnabend. Ich habe meine große Reinmacherei hinter mir. Habe alles durchgefeudelt. Eine böse Arbeit, der Wagen ist immerhin 20 m lang und 3 m breit. Fast wie eine gute 3-Zimmer-Wohnung. Betten sind übereinander.

Die Kameraden sind alle in die Stadt, ins Varieté gegangen. Ich hatte keine Lust, bin lieber in Gedanken bei Euch.

Wenn ich hier aus meinem Fenster sehe, dann liegt 5-600 m flaches Land vor mir – dann steigen da 4 Berge steil hoch. Auf dem einen Berg steht oben ein Schloß, alles überragend, wunderschön …

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27. Februar 1944: Arnstadt

Nun habe ich den Sonntag auch hinter mir. Habe den ganzen Tag viel Arbeit gehabt. Alle Behälter mit Wasser füllen und Kohlen besorgen. Wir haben hier einen Ofen drinnen. Wenn die Heizung abgestellt ist, stecken wir den Ofen an. Ich stehe hier mit meinem Wagen sehr günstig, direkt neben einem Kohlenlager der Eisenbahn …

Die Burg von meinem Fenster aus gesehen, ist die Watzenburg!

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28. Februar 1944: Erfurt

Soeben sind wir von Erfurt wieder abgefahren. Morgen, wenn wir aufwachen, sind wir in Dresden. Mittags geht es weiter nach »Lbg.«, also wird dieser Brief wohl der letzte sein, den Du aus Deutschland bekommst. Wenn wir aus P. wieder zurück kommen, freue ich mich schon auf die Post, denn man ist ja wie von der Welt abgeschnitten. Kein Radio, keine Zeitung, nichts. Haben wir etwa schon Frieden und ich weiß es nicht? … Ich kann mit dem besten Willen – soeben fuhren wir durch Weimar – nicht weiterschreiben, der Zug schaukelt, wie auf dem Dom! (Dom = Jahrmarkt in Hamburg!)

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29. Februar 1944: Breslau

Um 11 Uhr sind wir aus Dresden wieder abgefahren, über Bautzen – Görlitz – Liegnitz – Bunzlau … hier haben wir Lokomotivwechsel. Heute Nacht fahren wir über die polnische Grenze bis hinter Lemberg. Am Sonnabend oder Sonntag sind wir wieder zurück. Wir wissen nur noch nicht, wo wir die Verwundeten bekommen …

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1. März 1944: Przemysl / Polen

Seit heute Nacht 5 Uhr fahren wir schon durch Polen. Es ist jetzt 19 Uhr, also seit 14 Stunden immer nach Osten … aber ich will von vorne anfangen. Wir fuhren von Breslau – Gleiwitz über die Grenze. Als es hell wurde, waren wir erschüttert über dieses trostlose Land, kleine, kümmerliche Häuser … sowie der Zug mal auf der Strecke hält, stürzen Kinder barfuß aus dem Haus und geht die Bettelei um Brot los. So etwas kann ich schon gar nicht mit ansehen …

Bei Krakau fuhren wir über die Weichsel und dann immer am Fuße der Karpaten entlang. Das Land macht einen sehr unkultivierten Eindruck.

Eben bekomme ich Bescheid, heute Nacht um den Zug Wache zu gehen, wegen der Partisanen. Wir gehen immer mit 2 Mann. Es ist Mondschein. Wir stehen kurz vor Lemberg. Hier werden 50 Mann eingeladen. In Reichshof kommt der Rest

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3. März 1944: Krakau

Ich bin zwar hundemüde, meine 50 Verwundeten machen allerhand Arbeit, aber ich will Euch doch schnell ein paar Zeilen schreiben. … lauter schwere Fälle, Amputationen usw. viele vom Rhein, ein einziger aus Norddeutschland. Aus Erfde bei Friedrichstadt!

Ich kann nicht mehr, mir fallen die Augen zu.