23. Juli 1944: Bad Merkentheim

Nun will ich Dir mal wieder in aller Ruhe einen Brief schreiben. Wie Du aus dem Absender ersiehst, sind wir in Bad Merkth. gelandet. Heute ist Sonntag und ich bin U.v.D. Es ist sehr still um mich. Fast alles ist ausgeflogen, ins Kino oder zum Kurkonzert. Wäre ich auch ganz gerne hingegangen.

Liebes, vor einem Jahr verloren wir alles! Aber, sei nicht traurig, wir haben uns ja. Ihr hättet leicht in diesem Jahr noch mehr verlieren können! Glaub mir, ich bin froh, daß wir wieder in Deutschland sind. Heute tobt um Bialystock und Lemberg der Kampf. Hier in Bad N., es liegt zwischen Würzburg und Heilbronn, atmet alles Frieden und Erholung. Wenn ich links aus dem Fenster sehe, liegt die Stadt vor mir, und rechts die Weinberge. Hier möchte ich schon einmal 8-14 Tage bleiben! Aber wahrscheinlich geht es morgen, wenn nicht schon heute, nach Würzburg weiter. Da bleiben wir 2-3 Tage liegen, zum Auffrischen. Wohin wir dann fahren, steht noch nicht fest. Es bleibt sich ja auch gleich. Wir Hamburger hoffen nur, recht bald mal wieder nach Hamburg zu kommen. Morgen bekommen wir auch wieder Post, darauf freue ich mich schon …

Heute gab es Hühnersuppe und Schokoladenpudding! Gerne würde ich darauf verzichten, wenn ich wieder bei Dir … ich werde müde, oder alt. Soeben spielen sie hier im Radio: »Im Leben geht alles vorüber«. Ja, da wollen wir uns auch man mit abfinden. Was hat man denn schon groß vom Leben gehabt? Hoffen wir, daß der Krieg bald zuende geht und wir wieder von vorn anfangen können. Hoffentlich haben wir dann noch ein paar Jahre für uns, Mutti.

(siehe Gedicht »Vör’n Joor«)