19. November 1944: Saspe b. Danzig

Du wirst auch denken, na, der Alte kommt nicht mehr. Keine Angst, er kommt! Wir wissen sogar schon, wo wir ausladen – in Schleswig-Holstein. Und abgestellt werden wir nicht in Langenfelde, sondern in Ahrensburg!

Heute ist Sonntag. Alles ist zur Stadtbesichtigung gegangen. Ich habe gebeten, hierbleiben zu dürfen, um zu schreiben. Habe keine Lust, wie solche Herde durch die Stadt geführt zu werden. Den ganzen Nachmittag hab ich an einer Sache geschrieben.

Die letzten 8 Tage hatte ich keinen Fuß vom Zug gesetzt. Bis gestern nachmittag, da kam der Spieß und sagte, ich müßte mit ihm nach Danzig, was holen. Na, wir ja los. In Danzig bleibt er auf einmal vor einem Kino stehen und sagt: So, nun wollen wir beide mal schön ins Kino gehen! Karten hatte er schon. Ich war platt … einem so vom Zug zu locken … ! Aber es war für mich doch mal eine Entspannung. Hatte in den letzten Tagen oft Kopfschmerzen. Schau mal, Liebes, nach unserem Unglück habe ich 1 1/2 Jahre nichts geschrieben und nun finde ich durch dieses Erleben plötzlich wieder Kraft zum Schaffen. Ich freue mich, daß ich wieder so schreiben kann wie früher.

Hier, wo wir stehen, ist eine himmlische Ruhe. Keine Flieger, kein Alarm, nur Ruhe und Frieden. Die letzten Fahrten waren aber auch furchtbar. Es war, als wenn wir aus der Hölle kamen … aber das liegt ja, Gott sei Dank, weit zurück!